dpa-Story: Ist Tschetschenien eine Zeitbombe?

Grosny, 07.03.19: Schon seit über 200 Jahren gilt die Republik Tschetschenien als offene Wunde in Russland.

Vom Zarenreich unterworfen und von Sowjetdiktator Josef Stalin deportiert, gipfelte das Leid der mehrheitlich muslimischen Tschetschenen in zwei Kriegen um die Jahrtausendwende.

Im ersten erkämpfte das Land eine wackelige Unabhängigkeit von Moskau.

In einem zweiten Krieg holte sich Kremlchef Wladimir Putin die Rebellenregion zurück - mit der Hilfe der Familie Kadyrow.

Nicht Russen, Tschetschenen sollten den islamistischen Untergrund befrieden.

Dafür dürfen die Kadyrows uneingeschränkt regieren.

Erst trat mit Achmat Kadyrow ein islamischer Geistlicher im Jahr 2000 an die Spitze.

Nach dessen gewaltsamen Tod kam sein Sohn Ramsan an die Reihe.

Seit 2007 ist er an der Macht.

Um Menschenrechte steht es noch schlechter als im übrigen Russland, denn obwohl Tschetschenien zu Russland gehört, gilt russisches Recht dort wenig.

Islamisches Recht und tschetschenische Tradition gehen vor.

Es ist eine Art islamisches Kalifat auf russischem Boden - dazu schwer bewaffnet.

20 000 bis 30 000 Bewaffnete unterstehen dem Oberhaupt.

Gewalt ist der Kern von Kadyrows Herrschaft.

Seine Leute überziehen das Land mit Verschleppungen und Folter.

Der Kreml billigt das ganze.

Für Moskau zählt, dass die Lage besser ist als früher, selbst wenn sie nicht gut ist.

Kadyrows starke Stellung passt aber nicht jedem in Moskau.

Alles hängt an der Achse Putin-Kadyrow.

Doch der Kremlchef ist in seiner laut Verfassung letzten Amtszeit.

Was passiert, wenn er geht?

Oder wenn der Kreml den Diktator Kadyrow doch irgendwann fallen lässt.

Experten befürchten dann einen dritten Tschetschenien-Krieg.

Der Unterschied diesmal: Russlands Armee müsste gegen 30 000 bewaffnete Tschetschenen kämpfen.